Sci-Faith Leseprobe Teil I:
Was sind Theorien?

Die Vorbereitungen für die Veröffentlichung meines Buches „Sci-Faith – Die Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft“ sind im vollen Gange und ich bin zuversichtlich, dass es noch Ende diesen Monats erscheinen wird.

Um euch schon mal einen Einblick zu geben was von diesem Buch zu erwarten ist, werde ich in diesem Blogpost eine erste Leseprobe veröffentlichen.

Der Hauptgrund warum viele denken, dass Glaube und Wissenschaft unvereinbar sind, liegt darin, dass sie kein vollständiges Verständnis vom Wesen wissenschaftlicher Theorien haben. Für die einen sind es nur Ideen ohne fundierte Nachweise, für die anderen sind sie über jeden Zweifel erhaben. Daher wird im ersten Kapitel meines Buchs erläutert wie wissenschaftliche Theorien tatsächlich funktionieren:

Entstehung von Theorien

Ich weiß nicht, wie ich der Welt erscheinen mag; aber mir selbst komme ich nur wie ein Junge vor, der am Strand spielt und sich damit vergnügt, ein noch glatteres Kieselsteinchen oder eine noch schönere Muschel als gewöhnlich zu finden, während das große Meer der Wahrheit gänzlich unerforscht vor mir liegt. “ – Sir Isaac Newton 1)Sir David Brewster, Memoirs of the Life, Writings, and Discoveries of Sir Isaac Newton, 1855.

Um die Frage nach dem Wesen von Theorien zu beantworten wollen wir uns erstmal klar werden, was wir in der Wissenschaft überhaupt erreichen möchten. Dafür holen wir etwas aus und betrachten die Anfänge der heutigen Wissenschaft:

Beginn der modernen Wissenschaft

Der Legende nach lag Newton bevor er seine drei Axiome aufstellte unter einem Baum, als er einen Apfel auf den Boden fallen sah 2)William Stukeley, Memoirs of Sir Isaac Newton’s life, 1752.. Dies warf die Frage in ihm auf, warum dieser Apfel nach unten geflogen war und nicht in eine andere Richtung. Mit anderen Worten: Welche Kraft bewegte den Apfel und alle anderen Gegenstände dazu auf den Boden zu fallen, bzw. auf dem Boden zu verweilen? Offensichtlich ließ Newton diese Frage nicht los und er stellte zur Beschreibung dieser Kräfte drei Axiome auf, die heute als die drei Newton’schen Axiome bekannt sind.

Nun, was ist ein Axiom?
Ein Axiom ist so etwas wie der Startpunkt einer Theorie. Es ist eine Reihe von Aussagen, die ohne Beweis postuliert werden und als gültig angenommen werden. Jede Theorie benötigt einen solchen Startpunkt und dieser wird immer ohne einen Beweis bleiben. Daher kann eine Theorie nie als in letzter Konsequenz bewiesen angesehen werden. Aus diesen Axiomen kann man dann gewisse Schlüsse ziehen, die sich dann, falls sie sich auf die Natur beziehen, in physikalischen Experimenten bestätigen lassen. In Newtons Fall dienten die Axiome dazu die klassische Mechanik zu begründen und somit ein Fundament für darauf aufbauende Theorien zu bilden. Es konnte aus diesen Axiomen ein Gravitationsgesetz postuliert werden, welches die Planetenbewegung in unserem Sonnensystem vorhersagte und durch astronomische Beobachtungen bestätigt wurde.

Ist die Theorie damit bewiesen?
Keineswegs. Es wurde nur gezeigt, dass die Schlussfolgerungen, die wir aus der Theorie erhalten mit unseren Beobachtungen übereinstimmen. Jedoch ist es durchaus möglich, dass diese Theorie Vorhersagen macht oder auch nicht macht, die wir in Experimenten messen bzw. nicht messen können.

Im Falle des Newton’schen Gravitationsgesetzes ist genau dies auch der Fall: Beobachtet man den Planeten Merkur, welcher der Sonne am nächsten ist, genauer, so fällt auf das dessen Perihel sich dreht. Nach den Newton’schen Gesetzen bewegen sich Planeten auf Ellipsenbahnen und der Punkt, der der Sonne am nächsten ist, wird als Perihel bezeichnet. Eine Drehung des Perihels, welche zur Folge hat, dass die Planeten sich auf Rosettenbahnen bewegen (siehe Abb. 1), lässt sich zum Teil durch Newtons Gravitationstheorie erklären, wenn man den Einfluss der anderen Planeten berücksichtigt. Allerdings dreht sich der Perihel bei Merkur weiter als es die Berechnungen unter Berücksichtigung aller bekannten beeinflussenden Himmelskörper voraussagen. Daher ging man zunächst davon aus, dass es einen bislang unbekannten Planeten, genannt Vulkan, gibt, der für diese Abweichung verantwortlich ist. Jedoch konnte dieser auch nach intensivem Suchen nicht nachgewiesen werden.

Um diese Abweichung von der Theorie Newtons zu erklären, musste eine Theorie gefunden werden, die die Newton’schen Gesetze beinhaltet, aber so erweitert, dass die Periheldrehung durch sie erklärt werden kann. Zudem sollte sie weitere Vorhersagen machen, welche dann experimentell bestätigt werden können.


Abb. 1: Der sonnennächste Punkt der Ellipsenbahnen von Planeten, der Perihel, dreht sich, was als Periheldrehung bezeichnet wird. Dieser enorm langsam vonstatten gehende und daher kaum beobachtbare Effekt lässt sich erst durch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie vollständig erklären. 3)Bild: Kes47 (?)Original autor:Markus Schmaus in der Wikpedia auf Englisch, CC-BY-3.0.de

Albert Einstein gelang es 1915 mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie diese Erweiterung zu finden 4)Albert Einstein, Erklärung der Perihelbewegung des Merkur aus der allgemeinen Relativitätstheorie., In: Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften.,1915, S. 831-839.. Gemäß dieser, ist der Raum (bzw. die Raumzeit) gekrümmt und Planeten bewegen sich auf Geodäten, die die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten in einem gekrümmten Raum beschreiben. Hieraus kann man die elliptischen Planetenbahnen, sowie die Periheldrehung und weitere zuvor unbekannte Effekte herleiten.

Fundamentale und Effektive Theorien

Man sollte jedoch beachten, dass die Newton’sche Gravitationstheorie damit nicht falsch ist. Sie ist, wie der Physiker sagt, lediglich nicht auf allen Energieskalen gültig.

Was bedeutet das?
Das heißt, dass die Newton’sche Gravitationstheorie nur in einem gewissen Bereich gültig ist um die Natur zu beschreiben. Beispielsweise ist diese Theorie in der Lage die Gravitation die wir jeden Tag hier auf der Erde erleben zu beschreiben und bis auf wenige Ausnahmen auch alle Graviationseffekte, die sich in unserem Sonnensystem abspielen. Kommt man aber zu höheren Energien, d.h. zu höheren Gravitationskräften (z.B. in der Umgebung eines Schwarzen Lochs) so verliert die Newton’sche Gravitationstheorie ihre Gültigkeit und muss durch die Allgemeine Relativitätstheorie ersetzt werden. Zudem ist es auf atomarer Ebene so, dass die Gravitationskraft so klein wird, dass sie im Vergleich zu den anderen Kräften (z.B. der elektromagnetischen Kraft) vernachlässigbar klein wird. Auch lässt sich die Allgemeine Relativitätstheorie nicht zu einer Quantenfeldtheorie machen, welches die Theorien sind, die wir zur Beschreibung der Physik auf subatomarer Ebene verwenden. Daher ist es bisher noch nicht gelungen die Gravitation auf dieser Energieskala zu beschreiben und viele Physiker sind noch heute auf der Suche nach einer Theorie der Quantengravitation.

Theorien, die nicht auf allen Energieskalen gültig sind, werden als effektive Theorien bezeichnet, während eine Theorie, die auf allen Energieskalen gültig ist eine fundamentale Theorie ist. Bisher haben wir in der Physik nur effektive Theorien finden können. Ein Kandidat für eine fundamentale Theorie ist die Stringtheorie, die jedoch noch weit von ihrer experimentellen Bestätigung entfernt zu sein scheint.

Die Allgemeine Relativitätstheorie und die Newton’sche Gravitationstheorie sind beide effektive Theorien, die sich in ihrer Interpretation grundlegend unterscheiden. Daher ist davon auszugehen, dass eine fundamentale Theorie eine Interpretation liefern wird, die sich grundlegend von den bisherigen Theorien unterscheiden wird, aber diese innerhalb dem jeweiligen Energiebereich enthält. Es wird somit auch deutlich, dass effektive Theorien zwar oft in der Lage sind die Messungen auf einer bestimmten Energieskala akkurat zu beschreiben, deren Interpretation dadurch aber nicht außer Frage steht. Bei fundamentalen Theorien geht man davon aus, dass die Interpretation dieser die Richtige ist, da sie die richtigen Vorhersagen auf allen Energieskalen macht. Jedoch ist es keineswegs ausgeschlossen, dass es mehrere fundamentale Theorien mit unterschiedlichen Interpretationen geben könnte, die alle die richtigen Vorhersagen auf allen Energieskalen machen, sich in ihren Interpretationen aber grundlegend unterscheiden.

Hieran erkennt man die Einschränkungen, welche wissenschaftliche Theorien haben: Auch wenn sie in der Lage sind alles was wir messen können vorherzusagen und zu beschreiben, so können sie dennoch nie bewiesen werden und insbesondere die Interpretation einer Theorie ist keineswegs über jeden Zweifel erhaben.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Theorien Sachverhalte beschreiben und erklären, basierend auf gewissen Annahmen, die ohne Beweis hingenommen werden. Eine Theorie zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie Vorhersagen macht, die nicht nur erklären was wir schon wissen, sondern auch Vorhersagen macht über Dinge, die wir noch nicht wissen und anhand derer wir diese Theorie überprüfen können.

Das ist alles noch sehr theoretisch. In meinem nächsten Blogpost wird eine weitere Leseprobe zu meinem Buch erscheinen, in der dies auf sehr anschauliche Weise erklärt wird.

Einzelnachweise   [ + ]

Josua Göcking
Josua Göcking
Ich bin studierter Physiker, Softwareentwickler und Autor des bald erscheinenden Buchs "Sci-Faith - Die Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft". Mein Herz brennt dafür Wissenschaft aus einem Fundament des Glaubens heraus zu betrachten und zu betreiben.